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Wie ich dies wieder lese fällt mir ein, dass es mir immer schwer fällt zu verstehen, warum dieses Hinsehen so unmöglich scheint, wo es doch so nahe ist. In klaren Momenten weiss man, dass es nichts auf der Welt gibt, was dieses Gefühl, dieses Wissen und Ahnen um den Zusammenhang aller Dinge aufwiegen könnte. Man weiß um seine Bestimmung und sein Ziel, und auch wenn ich es nicht schreiben kann, nicht ausdrücken kann, nicht die Feinheit und Intensität der Bilder mancher vergangener Dichter besitze um dieses Große mittelbar zu machen, so weiss ich doch eins: Es gibt eine Wahrheit in diesen Momenten, die unüberwindbar scheint in Ihrer Klarheit und unmitteilbar für alles Unklare. 6
Und dennoch fließt innen ein nicht zu stillender Drang sich mitzuteilen, der Welt hinauszuschreien, wie klar, wie intensiv all dies ist
und dass alles sonst Erlebte und Gefühlte, all die Zusammenhänge, tief oder oberflächlich, selbst erfahren oder nachgelebt, all dies so klein ist im Vergleich dazu: dass man nicht eine Sekunde seines Lebens darin verschwenden sollte. Und gleichzeitig nur in diesem Leben dem Großen so nah ist. So ein Drang! Ich frage mich in solchen Momenten, ob nicht eine namenlose Macht mich dort zu sich zieht, und ob nicht zugleich eine andere Macht mich von dort weglockt. Ich sehe genau hin, und wenn ich dies tue, wenn ich nicht dem Glauben schenke, was in meinen Kopf gepflanzt wurde an Wörtern und Meinungen über Gott und Wissenschaft und Welt, sondern wenn ich meinem feinen Sehen traue, dann sehe ich: mein Sein und Weben in vielen Dingen beraubt mich meiner Energie, ich drehe mich im Kreise in einem Zirkel immer neu geborener Bedürfnisse, dem kurzen Taumel ihrer Erfüllung und wieder neuer Bedürfnisse. All diese Zustände lassen mich erst spät bemerken, wie sehr sie mich ausleeren, wie wenig ich Luft zum Atmen und Denken habe, wie sehr ich fremde Gedanken, Regungen in meinem Inneren trage, fremde Leiden zu meinen eigenen mache, auf fremde Reaktionen spiegelnd antworte. Und je weniger Energie ich habe, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, wieder zu mir zu kommen, nebellos, wahr. Ich sehe: die Leichtigkeit mit der ich wieder in den Bannkreis der Entselbstung gezogen werde steht in keinem Verhältnis zu der Mühe, die es mich kostet wieder wahr zu sein, wieder an das einzig Wichtige heranzukommen, wieder dem nachzuspüren, immer näher zu sein, vielleicht einmal ganz auf der anderen Seite zu sein, was auch immer diese Seite sein mag. Theologie und Esoterik, davon rede ich nicht, ich rede nur vom Beobachten, von Möglichkeiten, deren Vorhandensein nicht zu offenbar sein darf für alle, gerade weil es so offenbar ist. Etwas zieht mich fort, und ich, die ich bisweilen weiss, dass ausser mir vielleicht nur noch eine Handvoll solcher Menschen existieren, die ich weiss, dass ich nicht schweigen darf, dass ich aussprechen muss, was ich sehe, auch wenn es in kargen Worten ist, in zögernden, holperigen, konventionellen Buchstabenansammlungen, merke, wie es mich wieder zu verlieren beginnt, wie ich in Unzulänglichkeiten versinke. Doch perfektionistischer Anspruch hat hier nichts zu suchen. Es geht um die Wahrheit, meine Wahrheit. Und das, was wir sehen können, in uns, in all dem Gewimmel herum. In allen Menschen, in allen Regeln, die so mechanisch und immergehend funktionieren, in der Geschichte mit ihrem pulsierenden Schwankungen; eine übergeordnete Welle die alle Schwankungen durch einen ebenmäßigen tiefen Ton hörbar zu machen imstande ist. 7
und her, und ich wollte es doch nutzen, dass ich vor ein paar Stunden wieder so klar war. Wollte es niederschreiben, damit etwas bliebe: Nicht Ruhm, nicht Geld, – nur ein paar flimmernde Buchstaben, die davon Zeugnis ablegen: Es ist da! Ich habe es gespürt. Es ist möglich. All diese aufgestaute Kreativität. Sie entläd sich oft so schnell, dass ich sie nicht fassen kann, weder in Musik, noch in Farben oder Worten. Meist entläd sie sich in wirren Gedanken, während ich selber laufe und laufe um schnell irgend ein Gefäß zu finden, in das ich etwas davon einfangen kann, ein paar Tropfen Realität, ein paar Tropfen Karita im Zusammenhang der Welt. Alles so große Worte: "Zusammenhang der Welt", und man selber ist gezwungen anderer Menschen hundertfach missbrauchte Worte zu verwenden, und was bleibt einem auch übrig? Wie könnte man es sonst sagen, herausschreien, wie es wirklich ist?
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Und ich merke, wie alles lockt, fort von den Tasten, fort vom Herausquetschen der letzten Tropfen – wenigstens der paar. Und es locken Hunger und Durst, Gedankenkreise an Beziehungen und deren momentanes Treiben, Pläne für den morgigen Tag, kleine Splitter dämlicher Weberslogans auf dem Heimweg, Gefühle des Ungenügens meiner Worte und ebenso immer wieder der banale Ruf die Tippfehler sofort zu verbessern. Aber wie könnte ich es tun? Wenn ich stehen bliebe bei den Worten, die schon geschrieben sind, sie wieder neu in meinen Kopf ließe, wo hätte ich denn dann Platz für diejenigen, die sich nachdrängen? Morgen, wenn ich wieder tot bin in meinen Kreisen, werde ich diese Fehler ausmerzen können, wahrscheinlich ohne den Text in all seiner Tiefe so fassen zu können, wie in diesem Moment. Es ist klar und deutlich vor mir, heute wie morgen, aber ich werde wieder blind sein für die endgültige Tiefe. Werde wieder ein paar Stufen weiter oben schwimmen. Nur warum? Warum sollen wir nicht sehend sein? Warum soll ich es nicht? Warum bohren sich die Splitter der Scheinwelt immer wieder und immer tiefer in mich, und fordern mich auf, ihnen nachzugehen, ihren Scheinwichtigkeiten zu folgen, ihre Scheinbefrie- digungen wahrzunehmen. Und sie sind klug, sie locken mich mit Versprechungen, die mein Schreiben verbessern sollen, und ich muss ihnen immer wieder sagen: Nein! Ich werde nicht klarere Gedanken haben, wenn ich meinen Hunger gestillt, meine unbequeme Lage durch ein Kissen gebessert, den Text noch einmal ganz gelesen und dabei die Fehler ausgemerzt habe. Nein, nein. Es geht um Leben und Tod. Es zählt das Jetzt. Dieser Augenblick. Wenn ich auch nur mich einen Millimeter bewege, zerbricht alles, die Verbindung wird gekappt und ich stehe da, wie jeden Tag, und werde zu gähnen beginnen, mich strecken, Gedanken nachspüren die mich fort, fort führen. Ich muss es mir immer neu sagen. Das ist so wichtig. Die Gegengedanken beschallen mich immer wieder und immer wieder und immer wieder, ich muss, muss mich wiederholen und vielleicht werde ich es schaffen in diesen Wiederholungen ab und zu einen Sprung zu wagen, zu neuer Perspektive, zu einem neuen Blick in das Nichts oder in das Alles. weiter---> Karita Guzik |